Die größten Verlierer der Wirecard-Pleite

Die Wirecard AG ist ein seit gut 20 Jahren bestehendes und börsennotiertes deutsches Zahlungsdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Aschheim, bei München. Das Unternehmen ist Anbieter von Lösungen für den digitalen Zahlungsverkehr, Risikomanagement und die Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten. Eine Tochtergesellschaft namens Wirecard Bank AG verfügt über eine deutsche Banklizenz und hat Verträge mit mehreren Kartenorganisationen und kann für deren Kredit- und Debitkarten-Marken Kartenakzeptanzverträge schließen. Die Wirecard Bank ist Mitglied im Bundesverband deutscher Banken sowie dessen Einlagensicherungsfonds. 

 

Im Juni 2020 musste das DAX-Unternehmen eingestehen, dass angebliche Guthaben bei Banken auf den Philippinen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro (dies entspricht rund einem Viertel der gesamten Bilanzsumme) nicht existieren, nachdem das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young sich weigerte die aktuelle Bilanz zu bestätigen. Am 25. Juni 2020 stellte Wirecard einen Antrag zur Insolvenzeröffnung und der langjährige CTO und CEO Markus Braun trat zurück. Er wurde unter dem Vorwurf der Vortäuschung von Einnahmen und Marktmanipulation festgenommen und am Folgetag gegen eine Kaution freigelassen. Anfang Juli wurden die Geschäftsräume von der Polizei durchsucht. Dem zuvor Stand ein historischer Einbruch des Aktienkurses, den es so noch nie im DAX, dem deutschen Leitindex der 30 größten deutschen börsennotierten Unternehmen, gegeben hatte. 

Mittlerweile kam heraus, dass Wirecard seit Jahren schon Bücher manipulierte, zunächst in kleinerem Rahmen, später in Milliardenhöhe, und dass das Unternehmen in Wirklichkeit schon seit Jahren Verluste schreibt. Bereits im Frühjahr 2019 äußerte ein Autor der Financial Times in mehreren Berichten die Vermutung, dass Mitarbeiter Umsätze erfunden hätten, um Ertragsziele zu erreichen. Diese Vorwürfe wurden damals durch das Unternehmen noch dementiert.

Wie geht es weiter mit Wirecard und was passiert mit den Gläubigern?

Im Falle von Wirecard ist im weiteren Verlauf mit heftigen Kursbewegungen zu rechnen. Noch steht nicht fest, ob es zur Auflösung, einem Verkauf oder einer Sanierung kommen wird. Der Münchner Sanierungsexperte und Insolvenzverwalter Michael Jaffé wurde zunächst beauftragt ein Gutachten zu erstellen. Aktuell schient aus Aktionärssicht keine der möglichen Optionen aussichtsreich: Bei einer Auflösung sichern sich Investoren in der Regel die "Filetstücke" eines Unternehmens. Die Einnahmen fließen dabei in die Insolvenzmasse, aus der Gläubiger bedient werden und Aktionäre bekommen davon in aller Regel nichts ab.

 

Auch Fremdkapitalgeber, wie Banken oder Anleiheninvestoren sollten sich keine allzu großen Hoffnungen machen ihre Kredite zurückzubekommen. Stattdessen werden diese abgeschrieben und das Geld ist weg. Mit viel Glück bekommen sie einen Teil zurück, aber wenn, dann auch erst in einigen Jahren.

 

Sofern Wirecard abgewickelt wird, so stehen Aktionäre mit Banken und sonstigen Gläubigern in eine Reihe, wobei Aktionäre dabei eher das Schlusslicht bilden. In einem typischen Insolvenzverfahren werden weniger als 10% aller Ansprüche befriedigt. Da kann man einfach überschlagen, wie viel am Ende noch für die Aktionäre übrigbleibt.

Die Kursentwicklungen der letzten Zeit

Mit Bekanntwerden des Betruges sank die Aktie des Unternehmens innerhalb von einer Woche um 99% ein. Trotz der aktuellen Lage landete sie jedoch nie bei null und stieg zwischenzeitlich sogar wieder an, so wie Anfang dieser Woche, als sie am Montag bei 1,66 € und mit 9,12 € Euro am Dienstag schloss. Offenbar gibt es also Spekulanten, die davon ausgehen, dass sich der Kurs irgendwann wieder erholt. Und das Spiel dürfte noch bis September weitergehen, denn auch ein insolventes Unternehmen darf sich, bis zur jeweils nächsten geplanten Anpassung und Bewertung des DAX, ein DAX-Unternehmen nennen. Das klingt absurd, aber so sind die Regeln der Deutschen Börse. Immerhin haben die Vorfälle die Börse in Frankfurt dazu angeregt, ihr Regelwerk zu überarbeiten. Die Vorschläge zur Veränderung des Regelwerkes würden wie üblich mit den Marktteilnehmern besprochen, erklärte ein Börsensprecher.

Beim großen Crash vor zwei Wochen verloren Anleger auf einen Schlag Beträge in Milliardenhöhe. Wer sind diese Anleger und wie schwer wurden Sie getroffen?

Wirecard-Kursentwicklung
Die Entwicklung der Wirecard-Aktie in den letzten drei Jahren, Quelle: Finanzen.net

Beim großen Crash vor zwei Wochen verloren Anleger auf einen Schlag Beträge in Milliardenhöhe. Wer sind diese Anleger und wie schwer wurden Sie getroffen?

Wirecard war nie unumstritten, aber trotzdem extrem erfolgreich. Seit dem Börsengang stieg die Aktie bis auf 191,9 €. In diesem Zeitraum (2008-2018) gab es insgesamt 19 bekannte Anleger mit einem Anteil von mehr als 3%, kein einziger davon aus Deutschland. Bekannteste Großanleger waren die US-amerikanische Citigroup, die von Laurence D. Fink geleitete Fondsgesellschaft Blackrock und beispielsweise der britische Vermögensverwalter Jupiter. 

Viele davon waren über mehrere Jahre hinweg den Wirecard-Aktien treu und erlebten den enormen Anstieg mit. Mit dem Einstieg in den DAX im Jahr 2018 änderte sich die Aktionärsstruktur jedoch dramatisch.  Die vorherigen Zweifel schienen beseitigt und immer mehr deutsche Gesellschaften stiegen im Laufe des Jahres 2019 mit ein, obwohl es auch zu dem Zeitpunkt bereits enthüllende Artikel über Wirecard gab und sogar Berichte über polizeiliche Durchsuchungen der asiatischen Büros. Interessant ist, dass die seit vielen Jahren treuen, ausländischen Gesellschaften, wie Jupiter und Blackrock, zur gleichen Zeit reduzierten oder gleich ganz ausstiegen.  

Die großen Verlierer: DWS Group und Union Investment

Die DWS Group, eine Tochter der Deutschen Bank, eignete sich bis Ende 2019 gleich mehrere Fonds mit Aktien von Wirecard an, mit einem Gesamtvolumen von fast 1 Mrd. €. Insgesamt hielt man zu Spitzenzeiten bis zu 10% an Wirecard. Als die Wirecard-Aktie im Juni innerhalb eines Tages um 70% fiel, schmolz der damals noch gehaltene Wert der Aktien von 350 Mio. € auf rund 115 Mio. €. Anders herum gesagt, verloren DWS-Anleger an nur einem Tag ca. 230 Mio. €, falls die DWS im Tagesverlauf nicht schon Anteile abgestoßen haben sollte.

Union Investment: Auch der Fondsdienstleister der Volks- und Raiffeisenbanken, zuvor nur schwach an Wirecard beteiligt, legte im gleichen Jahr mehrere Fonds auf und investierte stark in das Unternehmen. Einer dieser Fonds ist übrigens der UniGlobal Vorsorge, in den große Teile des Vermögens von ca. 1,9 Mio. Riester-Fondssparern wandern. Im Januar 2020 durchbrach die Union dann die 3% Schwelle indem sie rund eine halbe Mrd. € in Wirecard-Aktien investierte. Aufgrund der aktuellen Geschehnisse veräußerte die Union knapp fünf Monate später ihre Anteile wieder. Da unbekannt ist, zu welchen Kursen jeweils an- und verkauft wurde, können nur die jeweiligen Tages-Schlusskurse als Richtmaß genommen werden und man kann von einem Verlust von 25% ausgehen.

Beide Gesellschaften gelten als die Verlierer der Wirecard-Krise, da sie trotz aller Vorzeichen auf den umstrittenen Zahlungsdienstleister setzten. Die ausländischen Investoren sind offenbar mit einem blauen Auge davongekommen und stiegen frühzeitig aus. Auch andere deutsche Gesellschaften, wie die Allianz Global Investors, schafften früh genug den Absprung. Auch zahlreiche Privatanleger und Family Offices waren in Wirecard investiert - hier gibt es leider keine verlässliche Daten, wer es noch rechtzeitig geschafft hat, zu verkaufen.

 

Doch der größte Verlierer ist indes Dr. Markus Braun, bis vor Kurzem CEO und Gesicht von Wirecard. Seine ursprünglichen ca. 7% Aktien verloren in einer Woche ungefähr 940 Mio. €  an Wert. Bis vor kurzem galt er noch als schillernder Neu-Milliardär und muss nun durch eine drohende Anklage durch die Staatsanwaltschaft und zahlreiche Schadensersatzforderungen um sein Familienvermögen bangen. Der eigentliche Ikarus dieser fast griechischen Tragödie.

Die Verluste der Wirecard-Anleger auf einen Blick

 

Anteilseigner

 

emittierte Aktien

(123.565.586)

   August 2018   

(Stand 191 €)

Mitte Juni 2020

(Stand 100 €)

Anfang Juli 2020

(Stand 5 €)

 

Verlust in den

letzten 2 Wochen

Dr. Markus Braun  9.885.248 1.897.967.401 988.524.688 49.426.234 939.089.454
DWS Group 3.509.263 673.778.427 350.926.264 17.546.313 333.379.951
Union Investment 2.619.590 502.961.361 261.959.052 13.097.952 248.861.090
Deka 1.853.484 355.868.888 185.348.379 9.267.419 176.080.960
Alken  1.705.205 327.399.377 170.520.509 8.526.025 161.994.483
Norges 1.445.717 277.577.732 144.571.736 7.228.587 137.343.149

Die Auflistung der Anteilseigner ist nicht vollständig und wir erheben keinen Anspruch auf Richtigkeit. Die Angaben sind errechnet aus  jeweiligen Tageswerten und Anzahl der Aktien der Gesellschaften / Personen und sollen lediglich der Richtungsweisung dienen.