Die ältesten Familienunternehmen Deutschlands und deren Family Offices

Ein Familienunternehmen oder Familienbetrieb ist ein Unternehmen, das maßgeblich von einer Familie oder einem in der Anzahl beschränkten Eigentümerkreis mit verwandtschaftlichen Beziehungen beeinflusst wird. Die Unternehmensgröße spielt dabei keine Rolle. In der Praxis ist eine klare Abgrenzung nicht einfach, da eine Definition des Begriffes ‚Familie‘ fehlt. Aber meist gilt allgemeingültig Folgendes: 

Ein Unternehmen jeder Größe ist ein Familienbetrieb,

  • wenn die natürliche(n) Person(en), die das Unternehmen gegründet hat/haben, oder die das Aktienkapital der Firma erworben hat/haben, oder deren Nachkommen im Besitz der Mehrheit der Entscheidungsrechte ist/sind,
  • die Mehrheit der Entscheidungsrechte direkt oder indirekt besteht, oder
  • wenn mindestens einer der genannten formal an der Unternehmensleitung beteiligt ist, oder
  • wenn bei börsennotierten Unternehmen mind. 25 % der Stimmrechte bei den genannten liegen.

(Quelle: Wikipedia)

Die Bedeutung von Familienunternehmen in Deutschland

Die ‚Stiftung Familienunternehmen‘ ermittelte in ihrer Studie Ende 2019, dass familiengeführte Unternehmen in Deutschland 52% der Umsätze im ganzen Land erwirtschaften und zirka 58% aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse stellen. Familienunternehmen nehmen also einen bedeutenden Platz in der deutschen Wirtschaft ein.

Dabei müssen sich Familienunternehmen oft vielen Schwierigkeiten stellen: den Inhabern liegt nicht nur das wirtschaftliche Vorankommen am Herzen, sondern man ist oft hin und her gerissen zwischen Tradition und Innovation und der Frage, ob es immer sinnvoll ist, Familienmitglieder bzw. Nachkommen die Entscheidungsmacht zu überlassen. Oft gibt es Streitigkeiten um Strategien, Ausrichtungen, Investitionen oder das Erbe. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Art von Unternehmen großen Aufwand betreiben um ihre Nachfolge zu regeln und dass es zahlreiche Beratungsstellen und Untersuchungen zu diesem Thema gibt. Im Folgenden stellen wir die Unternehmen vor, denen seit vielen Jahrzehnten und teils Jahrhunderten gelingt, den Spagat zwischen Familienkonventionen und dem Geist der Zeit zu machen.

Die bekanntesten Familienunternehmen Deutschlands

Zu den Erfolgreichsten zählen beispielsweise die Familien Otto, Würth, Schaeffler, Merck, Bertelsmann, Boehringer-Ingelheim, Reimannn, Henkel oder Klatten & Quandt (BMW) - allesamt mit Umsätzen im 2stelligen Milliardenbereich. Die Unternehmen sind zudem allesamt seit Jahrzehnten am Markt etabliert und werden bis heute von Mitgliedern der Gründerfamilien geführt oder diese nehmen bedeutende Funktionen im Unternehmen ein. 

 

Unternehmen (Gründungsjahr) Gründer / zentrale Familienmitgleider heutige wichtige  Familienmitglieder  

Family Office bzw. Beteiligungsgesellschaft &

Stiftungen (Auszug)

Umsatz in Mrd.

 Würth

(1945)

Adolf Würth

Reinhold Würth

Bettina Würth

Adolf Würth Stiftung, 

Würth Beteiligungen GmbH,

Int. Bankhaus Bodensee

14,27

Reimann

(1999)

Carl Ludwig Reimann

Johann Adam Benckiser

Renate Reimann-Haas

Wolfgang Reimann

Matthias Reimann-Andersen

Stefan Reimann-Andersen

JAB Holding

12

Schaeffler

(1982)

Wilhelm Schaeffler

Georg Schaeffler

Maria-Elisabeth Schaeffler

Atesteo Beteiligungs GmbH,

IHO Beteiligungs GmbH,

Schaeffler Beteiligungsgesellschaft mbH

 

14

Merck

(1668)

Friedrich Merck

Emanuel Merck

Frank Stangenberg-Haverkamp

Renate Koehler

Merck Family Foundation,

Orlandus Verwaltung GmbH,

Emanuel-Merck-Vermögens-KG,

E. Merck Beteiligungen KG,

Ebenezer GmbH

16,15

Bertelsmann

(1835)

Carl Bertelsmann

Liz & Reinhard Mohn

Christoph Mohn

Bertelsmann Stiftung,

Sunrise Capital GmbH,

Voces Holding GmbH,

B+CM Vermögensverwaltung OHG

18

Boehringer Ingelheim

(1885)

Albert Boehringer

Hubertus von Baumbach

Anasco GmbH, 

Profunda Verwaltungs GmbH,

Boehringer Ingelheim Stiftung

19

Otto

(1949)

Werner Otto

Michael Otto

Benjamin Otto

Alexander Otto (ECE)

Cura Vermögensverwaltung (ECE),

Otto Immobilien OHG,

Werner Otto Stiftung

13,45

Henkel

(1876)

Fritz Henkel

Simone Bagel-Trah

Christoph Henkel

HFO GmbH,

Konrad-Henkel-Stiftung

Gerda Henkel Stiftung

 

20,1

BMW

(1916)

Karl Rapp

Franz Josef Popp,

Camillo Castiglioni

Susanne Klatten

Stefan Quandt

SKion GmbH,

Susanne Klatten Beteiligungs GmbH,

SKB Private Equity GmbH

104,2

Die ältesten Familienunternehmen Deutschlands

Auch wenn die voran genannten Familienunternehmen teils viele Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte bestehen, gibt es weitaus ältere Familienunternehmen, die bis heute in Familienhand und sehr erfolgreich am Markt sind. Die drei ältesten Familienunternehmen Deutschlands sind:

 

Das drittälteste Familienunternehmen: von Poschinger Glasmanufaktur

Gegründet wurde das Einzelunternehmen aus dem bayerischen Wald im Jahr 1568 und befindet sich seitdem durchgehend in Familienbesitz. Das Unternehmen produziert, neben Trinkgläsern, auch Gläser für Medizintechnik, Ersatzteile für Lampen und Glas für historische Fenster - seit 2001 ausschließlich Sonderanfertigungen. Die 1848 von Michael von Poschinger in Betrieb genommene Moosauhütte in Unterfrauenau ist die heutige Poschingerhütte, welche bis heute produziert. Heute (seit 2007) leitet Benedikt Poschinger als fünfzehnter Familienangehöriger den Betrieb und ist nebenbei Geschäftsführer der Freiherr von Poschinger Gutsverwaltung Frauenau, über welche der größte private Forstbesitz in Niederbayern verwaltet wird, und der Freiherr von Poschinger Immobilien GmbH, über die beispielsweise ein Seniorenheim und diverse historische Gebäude verwaltet werden. Das Family Office ist die Freiherr von Poschinger Verwaltungs GmbH.

Das zweitälteste Familienunternehmen: William Prym GmbH & Co. KG

Das Unternehmen wurde 1530 vom Goldschmied Wilhelm (William) Prym in Aachen als Familienbetrieb zur Herstellung von Messing und Kupfer begründet. Da die Stadt Aachen im 17. Jahrhundert dem Betrieb aufgrund religiöser Zugehörigkeit die Zunftsrechte wegnahm, zog die Familie samt Unternehmen nach Stolberg, wo sie bis heute ansässig ist. Im Jahr 1884 richtete William Prym GmbH & Co. KG als eine der ersten Firmen in Deutschland eine Fabrik-Krankenkasse ein, aus der die heutige Actimonda BKK -eine gesetzliche Krankenhasse mit 116.000 Versicherten- hervorgegangen ist. Die zum Weissenbacher Prym-Werk gehörenden Arbeiterhäuser existieren noch heute als Teil einer Siedlung, die den Namen Prymhäuser trägt. Die heutigen Tochterunternehmen produzieren vor allem Handarbeits- und Nähzubehör, beliefern die Bekleidungsindustrie mit Verschlusssystemen und Accessoires und liefern Kontakt- und Verbindungselemente für die Technologiebranche. Prominentes heutiges Familienmitglied ist Axel Prym, der bis 2005 als Geschäftsführer im Familienunternehmen agierte, und heute als Consultant tätig ist. Auch nach seinem Ausscheiden blieb der Betrieb mit einem Jahresumsatz von 380 Mio. € in Familienhand. Family Offices sind die Inovan GmbH & Co. KG und die William Prym Holding GmbH. 

Das älteste Familienunternehmen: The Coatinc Company Holding GmbH

The Coatinc Company aus Siegen ist eine international tätige Unternehmensgruppe, im Bereich Oberflächenveredelung von Stahl und Metall. Man beschäftigt 1.500 Mitarbeiter an 22 eigenen Standorten und erwirtschaftet einen Umsatz von rund 185 Mio. €, inklusive diverser Beteiligungen sogar 300 Mio. €. Im Jahr 1502 kaufte der Stahlschmied Heylmann Dresseler für einen Feuerschilling eine Feuerstelle und legte so den Grundstein für das sich heute -in 17. Generation- noch immer in Familienbesitz befindliche Unternehmen. Heutiger Geschäftsführer ist Paul Niederstein, ein Nachfahre von Dresseler, dem 51% der Anteile gehören. 

Die wahren ältesten „Familienunternehmen“: der Hochadel

Strenggenommen, sind die wirklich ältesten Familienunternehmen jedoch die heutigen, noch in einer durchgehenden Abstammungslinie bestehenden, deutschen Adelshäuser mit eigener Verwaltung. Eines dieser einflussreichen Adelsgeschlechter sind die Welfen, die das älteste Fürstenhaus in Europa darstellen und schon im 8. Jahrhundert urkundlich erwähnt wurden. Sie waren mal die Herzöge von Bayern, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs und stellen sogar mit ihrer in Windsor umbenannten Verwandtschaft bis heute das britische Königshaus. Das Haus verfügt über großen land- und forstwirtschaftlichen Besitz und ist u.a. Eigentümer des Schlosses Marienburg, dem wichtigsten Besitz der Familie, und des Fürstenhauses in Hannover-Herrenhausen. Der wohl bekannteste Vertreter der Welfen ist Prinz Ernst August von Hannover, der durch Gewaltausbrüche und tadeliges Verhalten in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Seit einigen Jahren wird die Familie  von seinem Sohn gleichen Namens geleitet. Die Verwaltung des österreichischen Familienvermögens geschieht übrigens über die Lichtensteiner Herzog-von-Cumberland-Stiftung.